KPI Vertriebskennzahlen – KPI Beispiele und Erläuterungen

In den vorangegangenen Artikeln unserer Serie "KPIs für Produktmanager" wurden die Grundlagen, sowie das für den Vertrieb wohl wichtigste KPI „Umsatz“ mit dazugehörigen „Key Performance Indicators“ wie Forecast, Zielerreichung, usw. ausführlich beschrieben.

Während die Provision von Vertriebsmitarbeitern meist ausschließlich umsatzabhängig ggfs. noch margenabhängig ist, gibt es zur Steuerung der Vertriebseinheiten und zur Einschätzung deren Performanz noch viele weitere Kennzahlen.

Um verlässliche Vergleiche zu erstellen, einen guten Vertriebskanalmix und sinnvolle Investitionen in die attraktivsten Kanäle zu bewerkstelligen, sollten Vertriebskennzahlen teilweise nach den jeweiligen Vertriebskanälen aufgeschlüsselt werden. Dies muss vor allem dann erfolgen, wenn durch Vertriebsabschlüsse entsprechende interne Folgekosten (z.B. in der Auftragsbearbeitung oder dem Support) erzeugt werden oder die Kosten des Vertriebs, die Marge oder andere Kennzahlen stark voneinander abweichen.

Beispiel zu Vertriebskennzahlen

Als Produktmanager Mobile Applications für einen Zeitungsverlag möchtest Du den Verlust von Abonnenten der gedrucktFdefitionen Ausgabe der Zeitungen verringern. Da viele Kunden häufig das Internet, demnach Portale unter anderem Newsportale nutzen, ist es zu einem Einbruch im Printbereich gekommen.

Neben der Erschließung neuer Geschäftszweige, ist es für das Fortbestehen des Verlages überlebenswichtig, Kunden digitale Angebote zu unterbreiten, z.B. in dem die Zeitschrift auch in einer Smartphone-App gelesen werden kann. Gegebenenfalls als Bundle mit der gedruckten Ausgabe oder als reines „Online-Angebot“.
Du hast nach entsprechenden Analysen und Marktinterviews nach dem Open Product Management Workflow™ ermittelt, dass die effektivsten Vertriebskanäle für den Abschluss eines Online-Abonnements für die Gruppe der Bestandskunden einerseits die Werbung in der Printausgabe und andererseits die Nutzung des Telefonvertriebskanals sind.

Als „Goodie“ und für einen schnelleren Abschluss wird den Bestandskunden angeboten, das Online Angebot 30 Tage kostenfrei zu testen, danach wandelt es sich automatisch in ein Jahresabo um.
Du schaltest 4 Ausgaben lang hintereinander eine zweiseitige Werbung im eigenen Magazin, das Online Angebot zu bewerben. Leider steigen die Abos für das Online-Angebot nicht in gewünschter Geschwindigkeit. Das Management wird nervös und beschließt sofort alle Print-Kunden innerhalb der nächsten 3 Monate durch den Telefonvertrieb für das Online-Angebot zu gewinnen.
Eine entsprechende Abschlussquote, also Conversion Rate wird erwartet.
Da nicht genügend interne Ressourcen zur Verfügung stehen, muss ein externer Dienstleister beauftragt werden, der pro Abschluss bezahlt werden soll.

Was wird Deiner Meinung nach passieren?

Du wirst kurzfristig eine deutlich höhere Anzahl neuer Online-Abonnenten gewinnen, je nachdem mit welcher Kapazität der Dienstleister die Kunden bearbeiten kann.
Nach 45-60 Tagen erreichen Dich vermehrt Beschwerden aus dem Support und der Auftragsbearbeitung, weil bestehende Kundenverträge automatisch um ein Jahr verlängert wurden. Gleichzeitig stellt sich heraus, dass viele Kunden, die das Angebot über den Dienstleister bestellt hatten, das Online-Angebot innerhalb von 30 Tagen wieder kündigen. Leider teilweise einhergehend mit Kündigungen des Print Abos.

Sobald Du die Situation entsprechend analysiert hast, wirst Du feststellen, dass die grundsätzliche Idee „Verkauf über Telefonvertrieb“ zwar richtig ist, aber durch die „auftragsbezogene Bezahlung“ des Dienstleisters (die wiederum auch Ihre Mitarbeiter entsprechend vergüten), die Stornorate der Aufträge durch TeleSales fünf bis sechs mal so hoch ist, wie die Stornorate der Bestellungen über die eigene Anzeigenwerbung.
Es könnte daran liegen, dass dem Kunden das Online-Abo „aufgeschwatzt“ wurde. Einige wenige schwarze Schafe des Dienstleisters sogar bewusst nur die 30 Tage Frist ausgenutzt haben, obwohl der Kunde nicht am Online Angebot interessiert war. („Sie können doch sofort wieder kündigen“).

Die Abschlussquote, die Stornorate, die Brutto / Nettoquote (BNQ) und die Cost per Order (sogar nach Brutto und Nettoauftrag) sind daher für die beiden Vertriebskanäle sehr unterschiedlich.

Falls die beiden Vertriebskanäle nicht getrennt voneinander, sondern gemeinsam betrachtet werden, wird es wahrscheinlich zu einer trügerischen Fehlinterpretation kommen:
Die (Gesamt-)Stornoquote ist sehr hoch, d.h. die Kunden schätzen das Online Angebot nicht.
Im schlimmsten Fall bedeutet dies das Ende des Online Angebotes.
Im weniger schlimmen Fall wird fälschlicherweise abgeleitet, dass das Online Angebot verbessert oder ausgebaut werden muss.
Der Fokus verändert sich in Richtung „Features“ und Produkt anstatt des Vertriebes.

Wird die Stornoquote nach Vertriebskanälen getrennt voneinander betrachtet, ergibt sich, dass eine Optimierung des Kanales „Telefonvertrieb“ erfolgen muss, nicht jedoch Änderungen im Produkt oder dem Onlineangebot allgemein.

Außerdem erzeugen die hohen Stornoquoten eine hohe Anzahl an Rückabwicklungen und voraussichtlich auch Supportaufkommen. Dieser Mehraufwand und die Kosten müssten bei der Kalkulation der Vertriebskosten der Kanäle grundsätzlich mitberechnet werden, um die Kosten pro Order (CPO) vergleichbar zu halten.
In den wenigsten Fällen habe ich bisher gesehen, dass entstehende Folgekosten in der Administration den Vertriebskosten zugerechnet werden. Dies ist nicht notwendig, wenn die Folgekosten identisch sind. Daher zeigt das Beispiel anschaulich, dass KPIs, getrennt nach Vertriebskanälen erfasst, in Relation gesetzt werden und Abhängigkeiten aufgezeigt werden müssen, (siehe Artikel Definition von KPIs).
Nur der Produktmanager, der die wichtigen KPIs misst, auswertet und analysiert, kann korrekt handeln und agiert wie ein professioneller Leader seines Produktes.

Aus dem Beispiel lassen sich noch weitere KPIs ableiten, die, wie das Beispiel aufzeigt, im Zeitverlauf durchaus sehr schwankend sein können.

Die Bruttoneuaufträge steigen in dem Beispiel ab dem Start des Telefonvertriebes stark an, die Brutto/Netto-Quote wird insgesamt sehr schlecht, da der Telefonvertrieb alle restlichen Kunden kontaktiert hat und somit der Anteil dieser Kunden im Vergleich zum Rest, um ein Vielfaches höher gewichtet ist. Gleichzeitig vervielfacht sich die die Storno-Rate.

Als Storno-Rate oder Storno-Quote wird das Verhältnis der Stornierenden und Vertragswiderufer im Vergleich zu der dazugehörigen Menge an Neukunden bezeichnet, sinnvollerweise immer innerhalb einzelner „Kohorten“ gemessen.
Je nach Unternehmen werden dabei 30 Tage Zeiträume oder weil aus Kulanz auch nach 30 Tagen noch storniert werden darf, 60 Tage zu Grunde gelegt. Daraus ergibt sich die Kennzahl BNQ60, die Brutto-Netto Quote bei Berücksichtigung eines 60 Tages Stornozeitraumes.

BNQ60 = Nach 60 Tagen verbleibende Nettoaufträge / Bruttoaufträge eines Zeitraumes

oder

BNQ60 = 1 – Stornoquote (nach 60 Tagen)

Die Stornoquote darf nicht verwechselt werden mit den „normalen“ Kundenabgängen, also Kunden die im Laufe eines Vertrages zum Vertragsende hin kündigen.
Die Rate der Kündigenden wird meist mit dem durchschnittlichen Vertragsbestand aller Kundenverträge im jeweilig betrachteten Zeitraum ins Verhältnis gesetzt.
Dieses Verhältnis wird bei Abo Modellen und der Telekommunikationsbranche, als Churn, manchmal auch als Attrition Rate bezeichnet. Über einen größeren Zeitraum betrachtet sollte dieser Churn relativ stabil sein.
Je höher der Kundenbestand ist, desto geringer der prozentuale Wert des Churns (bei gleicher Menge von Kündigenden).

Um die Transparenz sicherzustellen müssen Maßnahmen, die eine Auswirkung auf vorzeitige Kündigungen haben, wie beispielsweise Vertragsanpassungen, Preiserhöhungen, die mit Sonderkündigungsrechten versehen sind, bei der Planung bereits im Vorfeld entsprechend berücksichtigt werden und mit entsprechenden Annahmen auf die jeweiligen Key Performance Indikatoren versehen sein, um die Transparenz sicherzustellen. Da sich manche Maßnahmen erst zeitverzögert auf ein KPI auswirken, müssen solche Maßnahmen gut dokumentiert und deren Auswirkung auch prognostiziert werden.
Das beschriebene Beispiel zeigt auch, dass durch aktives Angehen aller Kunden des Printbereiches ggfs. sogenannte „schlafende Kunden“, die bisher immer wieder vergaßen Ihr Print-Abo zu kündigen, daran erinnert werden. Mit einem gewissen Abgang solcher Kunden ist daher zu rechnen.

Oft genug habe ich Milchmädchenrechnungen und Vorlagen gesehen, die, um den Umsatz zu erhöhen, eine Preissteigerung der Produkte im Kundenbestand vorschlugen. Daraus wurde manchmal direkt abgeleitet:
Anzahl der Kunden x Preisdifferenz (Neuer - Alter Preis) = Zusatzumsatz.
Verstärkt wurden solche Vorlagen durch das Argument keine zusätzlichen Vertriebs- oder Mehrkosten durch Werbung zu erzeugen. In den seltensten Fällen wurde jedoch berücksichtigt, dass eine gewisse Anzahl von Kunden durch die Preiserhöhung kündigen wird und wie sich somit der langfristige Wegfall der Kunden auf den Gesamtumsatz auswirkt.

Den Umsatz, den ein Kunde während seiner gesamten Lebenszeit der Kundenbeziehung für das Unternehmen realisiert bezeichnet man als Customer Lifetime Value, CLV, oder CLTV. Meist meint diese Kennzahl den Profit, also Umsatz abzüglich der Kosten. Der Einfachheit halber werden häufig nur die Umsätze als Grundlage für den CLV hergenommen und dabei in die Zukunft prognostiziert. Dieser Wert hängt somit von der Dauer der Kundenbeziehung ab, d.h. der Customer Lifetime kurz CLT.
Liegen Erfahrungswerte zugrunde, so müssen diese bei jeder Kalkulation entsprechend hinzugezogen werden.
Unter anderem erschließt sich aus diesem Wert, zusammen mit vielen anderen Faktoren, wie hoch die Vertriebskosten maximal sein dürfen. In keinem Fall jedoch dürfen die Vertriebskosten höher als der CLV sein, außer das Unternehmen kauft sich aus strategischen Gründen einen Markt. Im Gegenteil, die Vertriebskosten müssen sich möglichst schnell amortisieren, da Entwicklungskosten und Grundkosten auch gedeckt werden müssen und das Produkt eine Marge abwerfen soll.

Im Beispiel „Preiserhöhung“ bedeutet dies konsequenterweise die Berücksichtigung der zukünftigen Umsatzverluste durch die Kündigenden.

Ähnlich der Kündigungsraten sollte in den Unternehmen die Renewal Rate gemessen werden, d.h. der Prozentsatz der Bestandskunden, die einen Maintenance oder Supportvertrag bzw. ein Abomodell erneuern.
Je nach Produkt, Service, Vertrag und Kundenloyalität schwanken diese sehr stark.
Bei guten Produkten und Brands aus dem Softwarebereich habe ich persönlich Renewal Raten von über 90% gesehen. Der Glaube, durch automatische Vertragsverlängerungen auf 100% zu kommen, ist ein Irrglaube.
Bindet und zwingt man einen Kunden ein weiteres Monat/Jahr in einen Vertrag, den er nicht benötigt, wird dieser Kunde selten weitere Produkte des Unternehmens kaufen, ganz zu schweigen von möglichen Brandherden, die durch unzufriedene Kunden entfacht werden.

Ergo: Zwang führt auf Dauer zu weniger Umsatz und weniger Kundenzufriedenheit.

Während im produzierenden Gewerbe die „Stückzahl“ eine wesentliche Rolle im Vertrieb spielt, werden im Dienstleistungssegment oder im Softwareumfeld andere „Stücke“ gezählt. Zum Beispiel die Anzahl von Kunden (ein Kunde BMW, ein Kunde proProduktmanagement GmbH = zwei Kunden), die Anzahl von Nutzern der Lösung oder die Anzahl der „Verträge“.
Wenn ein und derselbe Kunde mehrere Verträge mit einem Hersteller abschließt, werden diese häufig auch mehrfach gezählt. Diese Zahl wirkt sich in Bilanzen natürlich schöner aus, als die reine Kundenanzahl, weil mit einem Faktor 2-x versehen.
Marktfremde oder oberflächliche Leser erkennen dies nicht sofort und schließen aus der Vertragszahl direkt, dass es sich um unterschiedliche Kunden handelt.

Mehr zum Thema erfahren Sie im folgenden Artikel KPI Vertriebskennzahlen kombiniert mit Marketingkennzahlen.

Zur Übersicht: Artikel und Informationen für Produktmanager

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